Dachboden

Alte Möbel, Akten, Waffen, Textilien und sonstiger Krempel: Auf den Dachböden von Landhäusern sammelte sich so manches. Doch was die Vorfahren aus dem Weg schaffen wollten, holen manche spätere Generationen zuweilen wieder herunter.

1780 – 1830

Weg mit dem Krempel

Die Jagd nach den neusten Möbelstücken

Wenn Landhausbewohner:innen vor 1800 starben, versteigerten die Erb:innen häufig deren Privatbesitz. Nicht nur konnten die Kinder das Erbe so leichter aufteilen, viele schienen auch keine Lust auf den alten Kram zu haben, den die Eltern ihnen hinterlassen hatten.

Alte Möbel zeigten, dass man sich neue nicht leisten konnte, und wer wollte schon gern als arm gelten. Als Ausdruck ihres herrschaftlichen und sozialen Status, orientierten sich die Herrschaften an den neusten Trends und erwarben Tische, Truhen oder Betten im angesagten Stil. Manchmal sortierten sie auch jene alten Möbel aus, die sie in ihren Räumen nicht mehr sehen wollten und stellten sie in Dienstbotenzimmern, Gesindekammern – oder eben auf den Dachboden. Wenn die Erben nicht im Haus, sondern in der Stadt lebten, zum Beispiel wegen Tätigkeiten als Offizier oder Beamter, standen in den Häusern auch mal längere Zeit keine Möbel. Leere Landhäuser waren deshalb um 1800 gar nicht so selten.

1880 – 1930

Her mit den Antiquitäten

Alte Möbel für neue Überzeugungen

Nach 1800 sah die adlige Bewohnerschaft ihren Status bedroht und sie fürchtete um ihre Vorrangstellung in Staat und Gesellschaft. Bürgerliche Familien kauften immer häufiger Landhäuser und begannen auch auf diesem Gebiet mit dem Adel zu konkurrieren. Gleichzeitig verbreitete sich die neue Idee des Nationalismus: Alte Gegenstände wurden zum Ausdruck des nationalen Erbes.

So änderten viele Herrschaften ihre alten Gewohnheiten und holten die Möbel vergangener Generationen vom Dachboden oder kauften großzügig bei Antiquitätenhändlern ein. Auch erklärten sie mittels verbindlicher Verfügungen, dass die Möbel von nun an fest zum Haus gehörten und nicht mehr davon unabhängig verkauft werden durften. Nicht zuletzt schonte das neue Festhalten an alten Möbeln aber auch das Portemonnaie der Landhausbesitzer:innen. Denn mit dem Luxus der Industriebarone in den Städten konnten viele ohnehin nicht mehr mithalten.

Wohnzimmer in Schloss Hemmingen, um 1920 (Quelle: HStAS P 10 Bü 1552)

1945 – 1990

Weg mit den Erbstücken

Adelsbesitz in neuen Händen

Obwohl viele Landhäuser den Zweiten Weltkrieg überdauerten, verloren sie nach seinem Ende große Teile ihrer Ausstattung. In Ostdeutschland enteignete der Staat Landhausbesitzer:innen, die meist nur wenige persönliche Erbstücke retten konnten. Die wertvollen Möbel und Objekte wurden vom Staat verkauft, wanderten ins Museum, wurden zerstört oder gestohlen. Im Westen dagegen zwangen meist wirtschaftliche Notlagen oder Modernisierungskosten die Landhausbesitzer:innen dazu, Dachböden, Bibliotheken und letztlich ihre Salons zu leeren. Entsprechend finden sich in Auktionskatalogen jener Zeit häufig Möbel oder Tafelsilber aus Adelsbesitz. Die Landhäuser, aus denen die jeweiligen Dinge stammen, werden nur selten genannt. Dies verwundert jedoch kaum: Wer möchte schon zugeben, die Erbstücke verkaufen zu müssen, um das Dach zu reparieren oder ein neues Bad einzurichten?

"Sammlung Reuß", FAZ 31.1.1998

"Hallo Berlin", FAZ, 18.9.1999

Perspektiven

Dienstmagd

1800

Haushälterin

1900

Besitzerin

1970

Das wollen die alles nicht mehr haben?

Maria Hauser, Dienstmagd

Puh, ganz schön voll hier oben! Kaum ist der junge Herr mit seiner Frau im Landhaus angekommen, fangen sie schon an, das ganze Haus umzuräumen. Alles soll schick und modern werden und die alten Möbel müssen raus. Wir Mägde haben diese Woche schon die leichten Dinge verpackt und auf den Dachboden gebracht. Die schweren Betten und Schränke schleppen dann zum Glück die Männer!

Wie ich diesen Sessel hasse…

Gertrude Löffelholz, Haushälterin

Gnä’ Frau hat einen Narren an diesem Sessel gefressen – ein Stück Familiengeschichte, sagt sie! Ich musste den Sessel mit dem Diener zusammen vom Dachboden schleppen. Aber dann ging das Drama erst los: Jetz muss er komplett restauriert werden, völlig vom Holzwurm zerfressen – was das kostet! Frau Gräfin sagt dann immer: Geschichte hat nur, wer sie sich leisten kann. Verstehe das, wer will.

Mein geliebtes Tafelsilber…

Ursula von Klagenfeld, Besitzerin

Der Sturm letzte Woche hat das Dach beschädigt – so langsam weiß ich wirklich nicht mehr, wie wir dieses Haus halten sollen! Mir wird wohl nichts anderes übrigbleiben, als das Silberbesteck mit diesem aufwändigen Rosenmuster am Griff zu verkaufen. Meine Mutter wird sich im Grab umdrehen, aber was soll ich denn machen? Es muss ja niemand wissen, dass das Tafelsilber von hier stammt. Das Auktionshaus war beim letzten Mal zumindest sehr verschwiegen…

Fazit

Wertvoll durch Überzeugung

Mit der Zeit konnte alter Krempel zum neuen Schatz werden –  nicht nur, weil es sich um ästhetische Gegenstände handelte:  Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts wurde die Einrichtung  mit alten Gegenständen auch zum Ausdruck von Überzeugungen  und wurde von adligen Familien als Erbstücke weitergegeben.  Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen jedoch viele Erbstücke neue Wege.

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